Geboren am 05.11.1878 in einer Kleinstadt im Gouvernement Charkow,
gestorben 03.03.1927 in Warschau.
Arzybaschew stammt aus einfachen Verhältnissen, der Vater ist Polizeibeamter.
Mit etwa 10 Jahren unternimmt er einen Selbstmordversuch, überlebt
aber schwer verletzt. Mit 16 beginnt er ein Kunststudium, verdient sein Geld
dafür mit ersten Reportagen und Artikeln in der regionalen Zeitung und
sattelt auf Schriftsteller um. 1898 zieht er nach St.Petersburg, veröffentlicht
Karikaturen und humoristische Erzählungen in Zeitungen, ab 1901 erscheinen
die ersten literarischen Erzählungen, 1902 schreibt er den Roman
‘Ssanin’ (Санин), für den er erst 1907 einen Verlag findet. Das Buch wird ein
überwältigender Erfolg, obwohl - bzw. weil - bald verboten, und macht den
Verfasser berühmt, in ganz Europa erscheinen Übersetzungen.
Der Roman ist auch im projekt gutenberg online zu lesen, incl. des deutschen
Vorwortes und der verschiedenen Gutachten zu seinem Verbot:
http://gutenberg.spiegel.de/buch/1892/1
Themen des gesamten Werkes Arzybaschews sind die schonungslose Analyse
und Offenlegung psychologischer und gesellschaftlicher Verhältnisse und
Zustände, Bekämpfung von Vorurteilen, Erniedrigung, Gewalt, Tod und Selbstmord.
Aufgrund seiner rücksichtslosen und realistischen Schilderungen wurde er als
Naturalist betrachtet, sein Erfolg gründete allerdings auch darin, dass er die
Richtung der literarischen Entwicklung antizipierte.
Nach der gescheiterten Revolution von 1905 wandten sich viele Schriftsteller von
einer platten, gesellschaftlich intervenierenden Literatur ab, die Phase des
Silbernen Zeitalters begann mit Symbolismus, einer verstärkten
Nietzsche-Rezeption und Orientierung an französischen Autoren
und Denkern des Fin de Siècle.
Sein ‘Ssanin’ ist beinahe ein Übermensch, der im wesentlichen seinen
eigenen Interessen folgt - sich selbst verwirklichen möchte, hätte man vor
nicht allzulanger Zeit gesagt. Dem Autor wurden, neben den Angriffen auf
das Christentum, Propaganda für die ‘freie Liebe’ und Pornographie
vorgeworfen. So wirkt das Werk erstaunlich modern - wie auch die folgende
kleine Erzählung, die darüberhinaus äußerst witzig ist und ihren satirischen
Charakter nicht verleugnen kann.
Arzybaschew versuchte, die ersten Jahre in der Sowjetunion zu überleben
und emigrierte 1923, seine Mutter war Polin, nach Warschau, wo er bald
darauf verstarb, nach intensiver publizistischer Arbeit und der Veröffentlichung
auch von Theaterstücken.
"Я покинул родину не из страха перед террором, не потому, что боялся
голодной смерти, не потому, что у меня украли имущество, и не потому,
что я надеялся здесь, за границей, приобрести другое... Я покинул
родину потому, что в ней воцарилось голое насилие, задавившее всякую свободу мысли и слова, превратившее весь русский народ в бессловесных рабов... Я покинул родину не для того только, чтобы бороться за нее, чтобы освободить русский народ от рабства, но прежде всего - для того,
чтобы самому не быть рабом".
„Ich habe die Heimat nicht verlassen aus Angst vor dem Terror, nicht weil
ich den Hungertod fürchtete, nicht weil man mir mein Eigentum stahl und ich
hoffte, hier im Ausland neues zu erwerben... ich verließ die Heimat, weil in
ihr nackte Gewalt herrschte, alle freien Gedanken und Wörter erstickt und die
ganze russische Bevölkerung in stumme Sklaven verwandelt werden...
ich verließ die Heimat nicht, um gegen sie zu kämpfen, um das russische
Volk von der Sklaverei zu befreien, sondern vor allem - weil ich selbst kein
Sklave sein wollte“.