Kapitel 8

Im Tierpark

Sinas Papa hat immer „Termine“. Alle Leute haben immer irgendwelche
„Geschäfte“ und „Termine“, und immer soll man für alles bezahlen. Für die
Wohnung, für den Regenschirm, für’s Fleisch und für’s Brötchen, für das
Halsband und demnächst, hört man, wird für kleine Foxterrier die Hunde-

steuer verdoppelt.

Aber zum Bezahlen braucht man Geld. Geld ist dieses runde, aus Metall: mit
einem Loch in der Mitte - das sind „Çu“, die runden ohne Löcher sind Francs.
Dann gibt’s noch verschiedene Scheine aus Papier. Die sind aus irgendwel-
chen Gründen teurer und beginnen mit 5 Francs. Außerdem soll das Geld
irgendwie „steigen“ und „fallen“, eine absolut blödsinnige Sache, aber ich
bin kein Mensch, mich betrifft das nicht.

Also, um Geld zu haben, hat man „Termine“ und macht „Geschäfte“.
Alles klar?
Deshalb fuhr Sinas Papa nach Paris und nahm Sina mit, und Sina nahm mich
mit. Während Papa also von Termin zu Termin hetzt (ich weiß nicht weswegen:

nie geht er, immer hetzt er), nimmt Sina mich an die Leine, ruft eines
dieser Taxis, die immer so übel nach Rauch stinken, und fährt mit mir zum
Tierpark.
Park! Das ist doch überhaupt kein Park, sondern einfach ein Gefängnis für
unglückliche Tiere.
Wartet mal ‘nen Moment, mir sitzt ein Floh auf dem Rücken, den fange ich
erst und dann erzähle ich der Reihe nach.

                                         ***

Als ich noch ein einfältiger Welpe war, hat Sina mir vom Zoo erzählt: „Was
für ein großes Rhinozeros sie da haben - und wieviel Kacke da unter ihm
liegt! Und du, Mikki, möchtest dich nicht waschen - schämen sollst du dich!“
Alles gar nicht wahr!
Ein Nashorn gab es nicht. Entweder ist es vor Langeweile gestorben oder in
die Stadt abgehauen, wo es sich in der Metro versteckt, um von den vielen
Menschen nicht erdrückt zu werden.

Dafür haben wir ein Kamel gesehen. Es sah unserer Concierge ähnlich, nur
die Lippen waren etwas dicker und es hatte auf allen Seiten Fell. Es ernährt
sich von Dornen und, glaube ich, Essig. Ich hätte Lust, ihm eine Grammophon-

nadel zu geben! Als Sina ihm ein Brötchen zuwarf, schnaubte es entrüstet,

futterte das Brötchen und spuckte ihr auf die Schleife. So ein Halunke! 

Komm du nur hier ‘raus, dir werd’ ich’s zeigen!

Die Eisbärin war sehr niedlich. Saß am Gitter des Bassins und seufzte.
Diese Schweine. Schnee müssten sie ihr geben oder zumindest ein Eis,

ihr ist doch viel zu warm!
Ein kleiner Junge warf ihr einen Keks zu. Sie kam angedackelt, schüttelte sich,

hob höflich die Pfote zur Stirn und verspeiste ihn. Aber wie sollte sie
davon satt werden! Den zweiten Keks zerkrümelte der Junge vorher -

er hatte wohl Angst, daß sie sich verschlucken könnte.

Aber so haben die Spatzen alles aufgepickt.
Wofür - wofür halten sie sie gefangen? Sina hat einen alten Plüschteddy.
Morgen schleppe ich den auf jeden Fall mit hierher und schenke ihn der
Eisbärin: dann hat sie wenigstens  ein Söhnchen ...

                                             ***

Die Affen hingegen tun mir überhaupt nicht leid. Bedrohlich guckten sie, nie
würde ich sie anfassen. Ich bin ein bißchen näher heran, aber gleich zur Seite gesprungen - ganz ganz übel riechen sie... so nach saurem Gummi,
faulem Fisch und Ferkeldreck, der in irgendwas mariniert wurde. Einer
musterte mich und bemerkte zu einem anderen: „Guck Dir mal diese
Hundemissgeburt an...“.
Ich, wuff, du kleiner Idiot! Ich - eine Missgeburt?! Was bist denn dann du?
Ich muss jetzt erstmal zu Sinas Schränkchen und Baldrian schnüffeln. Mein
Herz klopft immer noch, wenn ich daran denke.
Der Tiger war eher widerlich. Eine leider sehr große Katze, weiter nichts.
Habe mir vorgestellt, wie er in eine Milchbar spaziert. Trinken tut er

mindestens eine Wanne Sahne, hinterher frisst er den Barkeeper

und geht zum Ausruhen in den Bois de Boulogne.

Der Löwe machte dagegen einen schwächlichen Eindruck. Hübsch!

Das war schon ein ganz alter, seine Haut hing in Falten herab,

eine Glatze hatte er und nicht mal mit dem Schwanz gezuckt.
Sina hat irgendwo gelesen, dass Löwen es lieben, wenn ein Hund

mit im Käfig sitzt.
Soso, fünf werden zerrissen, und mit dem sechsten freunden sie sich an.
Da bin ich doch lieber siebenter und spaziere frei herum.

Dann war da noch ein Bison, zottig, gehörnt, mit merkwürdiger Frisur.
Wofür existiert sowas? Spielen kann man nicht mit ihm, auf der Hand

halten schon gar nicht. Völlig überflüssig auf der Welt.

Das Stachelschwein zum Beispiel. Wozu ist das gut?

Soll man den Schornstein mit ihm saubermachen, oder was?
Genauso das Känguruh. Auf dem Bauch hat es ein Portemonnaie, darin

sitzt das kleine Känguruh. Das Fell wird, so wie’s aussieht, auf dem

Rücken zugeknöpft, wie bei Sinas Leibchen. Unsinn alles!

Gottseidank, dass ich ein Foxterrier bin. Hunde sitzen nicht im Käfig.
Obwohl, einige sollten vielleicht: Bulldoggen und verschiedene andere.
Sehr unsympathische Tiere. Beinahe wild. Uns gegenüber wohnt die Bull-
dogge Cäsar, und sie hält es für angebracht, ihr Geschäft  genau vor unserer   Toreinfahrt zu machen.
Da muss man sich natürlich rächen. Wie? Ganz einfach, die haben ja auch
eine Toreinfahrt...

Menschen in Käfigen habe ich nicht gesehen. Ich hätte allerdings nichts
dagegen, wenn unser Gärtner „sitzen“ würde. Zusammen mit der Köchin.
Auf dem Schild stünde: Hundefeinde.
Jeden Tag bekämen sie einen Strunk Kohl und zwei Möhrchen - und nichts
weiter. Warum haben sie mich auch nicht anständig gefüttert? Selber Eier,
Sahne und Cognac geklaut, aber mir wegen jedes unglückseligen Knochens

die Hölle heiß gemacht.

Schlangen habe ich auch gesehen. Eine, lang und dick wie ein Feuerwehr-

schlauch, schaute mich an und zischte: “Also nee, sowas wie Dich kann man
nicht schlucken!“
Blödes Vieh! Dir werde ich gerade erlauben, lebende Foxterrier zu verschlucken!

Der Elefant hat zwei Schwänze, einen vorn und einen hinten, und die Hörner
trägt er im Maul. Da könnt ihr mir hundertmal sagen „Rüssel“ und „Stoßzahn“,

für mich sind das Schwänze und Hörner.

Sina denkt, dass man einen Elefanten erhält, wenn man eine Maus

durch ein Teleskop betrachtet.
Aber weiß der Teufel, was ein Teleskop schon wieder ist.

Vögel haben wir entdeckt, so groß wie Kommoden. Strauße!  Am Schwanz
haben sie die gleichen Federn, wie im Fotoalbum Sinas Oma (auf dem Hut).
Heute trägt man diese Federn nicht mehr, weil die jungen Strauße sie nicht

hergeben wollen. Die heutigen taugen nur dafür, sie mit Kastanien zu füllen,

zu grillen und aufzuessen. Und du, Mikki, würdest du von einem

Straußenpfötchen probieren? Klar doch, ich bin neugierig...

Schon spät. Zeit, schlafen zu gehen. Aber in meinem Kopf dreht sich ein

Karussell: Affenhintern, Kamelhöcker, Elefantenfedern und Straußenrüssel...
Ich muß nochmal am Baldrian schnüffeln, dermaßen tuckert das Herz...

wie ein Mofa.
Ach herrjeh, jetzt wird mir auch noch übel, hicks - schnell, wo ist die

Waschschüssel der Köchin?...

Mox Fikki