Kapitel 11

Verfluchter Dampfer

Am Kai des Kurortes schaukelt ein weißes Dampfer-Haus. Schornstein,

Balkon für den Kapitän, und unten runde Fensterchen, damit die Fische

in die Kajüten gucken können. Vorne eine spitze Nase, hinten breit.

Unten klatscht Wasser, die Leine knirscht, aus den Öfen

des Dampfers - Rauch.

„Huu-huu!“ Fu, wie unangenehm laut der Schornstein bellt.

Alle halten sich die Ohren zu, nur ich kann das nicht.

Sina nimmt mich auf den Arm - ich zittere, die Planken unter uns

zittern ebenfalls - und trägt mich auf dieses widerwärtige Teil.

Hinten Papa.

Ausflug! Reicht ihnen der Platz auf der Erde nicht?

Ich kann schwimmen, aber was werden sie machen,

mit ihren Schuhen und Strümpfen, wenn das Haus umkippt?

Menschen kommen - kommen - kommen. Alle in sauberen Anzügen,

mit Einstecktüchlein (zum Glück ist es noch keine Mode,

die Zahnbürste im Knopfloch zu tragen!), und alle stoßen und

entschuldigen sich. Ja, wenn du nicht stoßen würdest, bräuchtest

du dich auch nicht zu entschuldigen, dass du mir alle Pfoten

abgequetscht hast...

Die Leute besetzen die Bänke an den Seitenwänden und sitzen

oben und unten, wie die Spatzen auf dem Telegrafendraht.

Der Himmel schaukelt, die Straße schaukelt, und unser Fußboden auch.

Meinen Gleichgewichtssinn habe ich völlig verloren, liege ausgestreckt

und alle Viere von mir auf dem Boden wie ein Frosch auf dem Eis.
So quälen sie einen Festlandsterrier. Wozu?

„Huu-huu-huu!“ Wir legen ab. Alle winken mit den Pfoten und schicken Luft-
küsse. Also drei Stunden sind wir unterwegs und gleich wird so übertrieben.

Schleiche mich an die Umzäunung in der Schiffsmitte und schaue hinab:
Eisenpfoten gehen auf und ab und schmatzen, aber das Hauptbein, ganz in
Öl, dreht sich um sich selbst - der Schiffsmotor. „Tschiki-Fuki, Fuki-Tschikki,
Piki-Mikki, Mikki-Piki...“ Da halt’ doch mal für ‘ne Minute an!

                                                   ***

An der ersten Bucht vorbei, nichts zu sehen. Dann die zweite - nichts,

jetzt die... uff. Dort ist Meer, hier ist Meer, Himmel und Wasser

vereinigen sich, auf allen Seiten Horizont... Muss das sein?

Wo ist das Land jetzt?

Hinter dem Dampfer weißes, kochendes Wasser, Möwen liefern

sich mit uns ein Wettrennen und kreischen, wie hungrige Kätzchen.

Dabei gibt es  so viele Fische im Meer, den ganzen Tag könnten

sie Mittag essen, was wollen sie denn noch?

Gut, wenn schon Ausflug, dann kann man sich nicht unter der

Bank verkriechen. Ich versuche mich aufzurichten,

und artig bewegen sich die Beinchen.
"Pardon, cil wu plä" (Entschuldigen Sie bitte, wenn Ihnen das passt!).

Die Matrosen tragen Holzpantoffeln wie kleine Schiffchen,

die männlichen Passagiere gewöhnliche weiße und braune Halbschuhe.

Praktisch und angenehm. Die Damen haben jede was anderes:

mit Schleifchen, mit Schnalle, mit rotem Flechtwerk, mit grünem

Absatz ... wer sich das für sie ausgedacht hat?

Beim Kapitän auf dem Balkon. Alt, dick, mit einem Bart wie der

Weihnachtsmann und blauen Augen. Er steht breitbeinig da und

hat viel Spaß: dreht das große Rad mit den Händen in die eine,

dann in die andere und noch in eine dritte Richtung. Schreit dabei

in ein Rohr: „Guten Morgen! -  Halbguten Morgen!  -  Viertelguten Morgen!“

- wenn ich das richtig verstanden habe.

Endlich die Küche gefunden. Der Fußboden schaukelt, aber

sie funktioniert. Es wird gekocht. Der Koch hält mir einen Hummer

unter die Nase, aber ich gucke ihn so an, dass er sich schämt

und sich schneuzt (der Koch).
Wieder zurück springt der Fußboden alle Naslang hoch,

Wellen, wie Bulldoggen, von allen Seiten ihre Gesichter

in der Gischt, und alle fassen nach mir.
Ohweh! Ständig hoch und runter. Lacht nur: setzt doch mal

eine Krabbe aufs Festland, der wird auch mulmig.

Der Wind pfeift und krempelt mir die Ohren um - aua!
Dem Nachbarn weht der Hut ins Wasser.
„Es ist aufgefrischt...“ beruhigt ihn Sinas Papa. Es wird immer blöder,

aber  nicht frischer... ba-bach! Ba-ba-bach! klatschen die Wellen ans Schiff.
Ich schmiege mich an die Beine einer unbekannten alten Frau,

schließe die Augen und winsele leise-leise vor mich hin: Meer!

Mein liebes goldenes Meer! Nun hör doch auf, komm, beruhige Dich!

Nie wieder fahre ich auf Dir. Ich bin doch nur ein kleiner Foxterrier,

ein ganz unbedeutendes Hündchen, warum ärgerst Du Dich über mich?

Nie habe ich Dir etwas Böses getan, nie habe ich Dich angebellt

(ach, wie ich lügen kann!)...
Aber nein, das scheint nicht zu helfen. Langsam verliere ich die Geduld.
Springe auf die Bank, drehe mich mit dem Rücken zum Meer und lege die
Pfoten auf den Rettungsring. Vorsichtshalber. Falls es sein müsste, würde
ich Sina retten, ihren Papa und den Kapitän. Der Koch kann von mir aus
ertrinken...
Böser Terrier! Warum schreibe ich so etwas Gemeines? Den Koch

rette ich auch, so gut bin ich...

                                                  ***

Das war’s? Nein, das war’s noch nicht!
Die gierigen Festlandsbewohner wissen schon nicht mehr,

was sie sich noch ausdenken sollen. Strände, Wälder, Felder

und Chausseen reichen ihnen nicht. Fliegen müssen sie!

Setzen sich in Doppeldecker, benzingetriebene Regale, und heben ab.
Vom Zusehen bekommt man schon Angst.
Aber fliegen tun nur Verrückte, die haben wahrscheinlich keine

Eltern mehr oder niemanden sonst, der sie zurückhalten könnte.

Auf dem dem Meer jedoch schaukeln alle: Kinder, Mütter, Väter,

Opas und sogar Säuglinge. Das Schicksal wird sie alle bestrafen

(„Schicksal“ - das ist wie eine riesige, böse Fledermaus).
Schaukeln tun sie bis zum... geht-nicht-mehr.

Man behauptet, Hunde benähmen sich nicht gut.
Aha! Hunde... schauen Sie sich doch ‘mal an, wie sich auf einem

Dampfer die Leute mit neuen Anzügen und einem neuen Einstecktüchlein

benehmen, wenn das Rollen und Stampfen beginnt.  
Ich schließe die Augen, versuche, nicht zu atmen und schnuppere

an Zitronenschale. Brrr. Aber Sina - hält sich heldenhaft. Ihr Papa auch.

Der Kapitän auch. Aber ich - fragt besser nicht.

                                             ***


Als wieder Land zu erblicken war, liebes, grünes Land, festes Land

mit Häuserchen, Hündchen, Fleischereien und Umkleidekabinen,

heulte ich so durchdringend auf, dass ich sogar die Schiffssirene übertönte.

Hiermit schwöre ich und gebe mein Hundeehrenwort, dass ich meine Pfoten
niemals wieder auf einen Dampfer setzen werde.

Warum schleppen sie mich überall mit hin?
Vielleicht kommt Sinas Papa morgen in den Kopf, einen Ausflug in die

Wolken zu machen, und ich soll mitfliegen?! Pardon, cil wu plä.

Aha, hab’ ich’s doch geahnt. Dieser unmögliche Papa hat einen Fischer

aufgegabelt und für morgen Nacht ein Boot mit Mondschein zum Angeln
bestellt. Den Mond guck ich mir lieber vom Ufer aus an - und den Fisch
könnt ihr selber essen. Zwar ist das Meer heute ruhig - aber diese Ruhe
kennen wir. Im Zimmer ist es sogar noch ruhiger. Der Fußboden bewegt

sich nicht, die Decke kippt nicht, keine Gischt krabbelt durchs Fenster

und die Menschen um einen herum werden nicht grün und gelb. Brrr.

Der alte Seewolf  -  Fox Mikki